Nikolaus Habjan |
In meinem heutigen Interview sitzt mir Nikolaus Habjan gegenüber.
Der gebürtige Grazer ist ausgebildeter Regisseur, Kabarettist und Puppenspieler – und seit 2008 auch Co-Direktor des Schubert Theaters in Wien.
Er wird nun ein wenig über sich selbst und die bisher noch wenig bekannte Geschichte seines Theaters erzählen.
RNN:
Hallo Nikolaus! Es freut mich, dass du dir trotz deiner vielen Tätigkeiten Zeit für dieses Gespräch genommen hast!
Nikolaus Habjan:
Hallo! Ja sehr gern.
RNN:
Zur Zeit sorgst du ja mit deinen Puppenstücken ganz schön für Furore... Erzähl uns doch ein bisschen von den aktuellen Projekten!
Nikolaus Habjan:
Also zur Zeit spiele ich gerade wieder im Kunsthistorischen Museum in dem Projekt GANYMED BOARDING, wo ich einen Text von Paulus Hochgatterer zu dem Gemälde „Der Raub des Ganymed“ von Correggio mit einer Puppe umsetze.
Dann geht’s demnächst mit meinem allerersten Stück SCHLAG SIE TOT nach München und Nürnberg; die Deutschlandpremiere, mal schauen, wie die Deutschen unseren Humor annehmen. Also die Schweizer fanden es lustig...
Und dann geht’s ohne Pause weiter mit BECOMING PETER PAN, dem „Skandalstück“ über Michael Jackson. Und dazwischen quetsche ich noch eine kleine Filmrolle unter.
RNN:
Bei BECOMING PETER PAN erzählst du ja mit deiner Puppe eine Geschichte über Michael Jackson, die bei den Fans sehr unterschiedlich angekommen ist. Du nennst es selber „Skandalstück“. Was ist da genau passiert?
Nikolaus Habjan:
Ja, die Arbeit an dem Stück hat echt heftig begonnen. Mitte Oktober 2010 kam die erste Mailwelle an Beschimpfungen und Schmähungen. Manche versucht sachlich, die meisten aber heftig und obszön.
Ich wusste zuerst nicht, von wo die kamen und warum mich hunderte Menschen plötzlich hassten, nur weil ich im Begriff war, ein Stück über Michael Jackson zu spielen. Ich hab da ja noch nicht mal gewusst, wie es genau wird. Das wussten die E-Mailschreiber offensichtlich besser.
Später hab ich erfahren, dass es sich um eine – auf zwei Fanforen – organisierte gezielte Spamattacke gehandelt hat. (siehe Links am Seitenende)
Und dann kam Ende Oktober die Morddrohung, per Mail und auf meine Homepage. Ich hatte dadurch die IP-Adresse und ging damit zur Polizei. Zuerst in Graz, dann in Wien. Die haben mich dann während der Premiere unter Polizeischutz gestellt.
Die Frau, von der die Drohungen stammten, hat sich mittlerweile bei mir öffentlich entschuldigt.
Mittlerweile haben einige Gegner des Stückes von diesem Forum das Stück gesehn, sind extra aus Deutschland und der Schweiz angereist. Vielen hat es dann wirklich sehr gut gefallen und es gab viel positive Rückmeldung.
Ja, das war wirklich heftig. Aber ein bisschen nachdenklich macht mich das schon. Wenn ich ein politisches Stück spiele, wo ich es darauf anlege zu provozieren, dann bekomme ich nicht einmal den Hauch von dem Hass, der mir beim Proben von BECOMING PETER PAN entgegengeschlagen hat. Dabei wurde dieses Stück von Simon Meusburger geschrieben, der ein Fan von Jackson ist.
Das Stück ist eine Homage, die aber natürlich auch kritisch ist, aber letztendlich sehr berührend.
RNN:
Ich denke man kann sagen, dass vor allem euer Theater, das Schubert Theater in Wien, zu deinem jetztigen Bekanntheitsgrad beigetragen hat... Wie kamst du ans Schubert Theater?
Nikolaus Habjan:
Das war eine lustige Geschichte. Ich hab davor, mitten in meinem Musiktheaterregie-Studium, immer nur mit dem großen Opernbetrieb zu tun gehabt, und wollte etwas anderes kennen lernen. Eine Regieassistentin aus der Grazer Oper, die im Schubert Theater ein pädagogisches Stück über Bulimie inszenieren sollte, hat mich gefragt, ob ich ihr nicht assistieren will. Das wollte ich und so kam ich als Regieassistent an das Haus.
Da hab ich dann auch den künstlerischen Direktor, Simon Meusburger kennen gelernt, der mich lustigerweise schon durch einige YouTube-Videos von ganz frühen Puppenexperimenten kannte. Er war Feuer und Flamme für die Idee, meine Puppen auf seine Bühne zu stellen.
August 2008 haben wir dann SCHLAG SIE TOT verfasst, es geprobt und am 22. Oktober 2008 uraufgeführt. Das war überraschenderweise sofort ein Renner. Davon war ich ja anfangs nicht überzeugt. Simon wollte mindestens sechs Vorstellungen ansetzen. Ich hab abgewunken und gesagt: „Simon, wenn's ein Flop wird, dann kann man gerade drei Vorstellungen aushalten...“
Naja, Flop wurde es keiner, wir spielen es immer noch regelmäßig. Mittlerweile mit der dritten Besetzung und zum 66. Mal.
Im Jänner 2009 haben wir SCHLAG SIE TOT dann erstmals in meiner Heimatstadt Graz aufgeführt, mit drei ausverkauften Vorstellungen, dann ging es los mit Festivals in der Steiermark und irgendwann hat dann mal die Schweiz angerufen.
Simon und ich haben dann einen zweiten Teil geschrieben, der eigentlich chronologisch der erste, also quasi die Vorgeschichte, ist. Auch ein Renner. Da bin ich dann Assistent der Direktion und schließlich Co-Direktor des Schubert Theaters geworden.
RNN:
Wenn man versucht, nähere Details über die Geschichte des Theaters herauszufinden, stößt man nicht auf besonders viele Informationen... Hat das Schubert Theater denn irgendwelche schmutzigen Geheimnisse, über die man nicht sprechen sollte?
Nikolaus Habjan:
(schmunzelt) Jaja, das Schubert Theater ist berühmt, aber nicht als Theater, sondern als Pornokino. Angefangen hat es ja in den 20ern als Schubert Kino, eines der frühen Kinos in Wien, sehr populär mit „normalen“ Filmen. Cissy Kraner ist hier, vor dem großen Start ihrer Karriere, vor dem Hauptfilm aufgetreten. Das hat sie mir erzählt.
Und dann in den 60er Jahren ist es verkommen, man hat nur noch Oldies gespielt. Dann wurde es ein Pornokino. Das Geschäft hat floriert. Dort, wo jetzt die Lageräume gegenüber sind, da sollen sogar Filmstudios für die Pornoproduktion gewesen sein.
Dann wurde in den 80ern das Währinger Gürtel Kino gebaut, das war eine zu starke Porno-Konkurrenz für das Schubert Kino. In den späten 90ern ist es dann eingegangen. Dann war es ein Kasperltheater, kurz Probenbühne des Theaters in der Drachengasse und trug kurzzeitig den Namen Le Petit. Schließlich haben es Simon Meusburger und Tobias Hellinger 2007 unter dem heutigen Namen übernommen.
Ab und zu, ich hab das selbst schon zweimal erlebt, kommen noch ältere Herren, die sich gern einen Pornofilm ansehen möchten. Was auch des öfteren passiert, ist, wenn man erklärt, wo das Schubert Theater ist, solche Antworten zu bekommen: „Ja, das Schubert Theater, in der Währinger Straße, nicht? War das einmal ein Kino? Jaja...das kenn' ich nicht.“
... Unsere Sitze sind aber nicht mehr die aus der Zeit, als das Schubert Theater noch ein Pornokino war! (lacht)
... Unsere Sitze sind aber nicht mehr die aus der Zeit, als das Schubert Theater noch ein Pornokino war! (lacht)
RNN:
Das kann man nur hoffen! Was unterscheidet deiner Ansicht nach das Schubert Theater von anderen Keller- bzw Hinterhof-Theatern in Wien – abgesehen davon, dass dort deine alten Puppen an den Wänden hängen?
Nikolaus Habjan:
Alt sind die wenigsten, also wenn die eine oder andere dich jetzt gehört hätte, dann hättest Du Dir eine Ohrfeige eingefangen. (lacht)
Naja, auf jeden Fall sind es die Puppen, die uns zu etwas ganz besonderem machen. Puppentheater in dieser Form gibt es in Wien nicht. Wir machen ausschließlich Theater für Erwachsene, man darf sich da kein Kasperltheater vorstellen, wie es viele tun. Auch bei Stücken, wo der Titel alles andere als nach Kindertheater klingt, wie SCHLAG SIE TOT – BITTERBÖSES PUPPENTHEATER FÜR ERWACHSENE. Da hatten wir schon fünfjährige Kinder drin sitzen. Denen hat es aber gefallen (lacht).
Naja, und dann kommt natürlich unser klassischer Sprechtheaterbereich dazu. ELLING, KRACH IM HAUSE GOTT, GESCHLOSSENE GESELLSCHAFT und EIN IDEALER GATTE sind nur einige wenige Stücke, die über unsere kleine Bühne gegangen sind, bzw. gehen.
Bühne, das ist ein gutes Stichwort, die ist bei uns sehr klein, und gerade das macht unser Theater so unmittelbar. Die Kleinheit spielt keine Rolle, wir setzen uns einfach darüber hinweg. Mit viel Idealismus geht das (lacht). Den muss man bei uns haben.
RNN:
Was war die schwerste Aufgabe, mit der du dich in deiner Funktion als junger Co-Direktor bisher auseinandersetzen musstest?
Nikolaus Habjan:
Simon und ich sind ein gutes Team, wir teilen uns die Arbeit gut auf. Ich bin ein bisschen der Bad Cop ab und zu, vor allem wenn es ums feuern geht, da musste ich mal ran. Das war nicht schön, aber nötig. Aber das mag ich nicht an meiner Arbeit.
RNN:
Wie soll es in den nächsten Jahren mit dem Theater weitergehen? Plant ihr noch Umbauten oder einen Umzug in größere Räumlichkeiten um mehr Leute erreichen zu können? Oder denkst du, durch erfolgreiche Produktionen wie BECOMING PETER PAN wird sich ganz von selbst der Ruhm einstellen, der dem Schubert Theater gebührt?Nikolaus Habjan:
Nikolaus, danke für das Gespräch. Man sieht sich im Theater!
Hm, das steht in den Sternen. Ich hoffe natürlich letzteres, und ich bin da auch ganz optimistisch wenn ich bedenke, wie große Schritte dieses Theater in den letzten zwei Saisonen gemacht hat.
RNN:
Okay, noch ein Schlußwort an die Leser? Oder willst du uns noch was vorpfeifen? (Nikolaus Habjan ist auch Kunstpfeifer; Anm.)Nikolaus Habjan:
Ok, ich pfeif was, und dann will ich wissen, wie Du das dann aufs Papier bringen wirst... (lacht)
Ok, ich pfeif was, und dann will ich wissen, wie Du das dann aufs Papier bringen wirst... (lacht)
RNN:
... Es war wunderschön, lässt sich nicht in Worte fassen. (lacht)Nikolaus, danke für das Gespräch. Man sieht sich im Theater!
Nikolaus Habjan:
Auf der Bühne oder im Zuschauerraum! Danke!Links:
wow, it's interesting how you interviewed that man :D
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